Wissenswertes rund um die Drachen.
Die Geschichte der Drachen.
Allgemein
Schriftliche Aufzeichnungen
über Drachen stammen aus China rund 1.000 Jahre vor
Christus. Vermutlich sind aber, da die Herstellung
von Seide schon seit rund 2.000 Jahre vor Christus
in China bekannt war und es dort auch ausreichend
Bambus gab, erste Versuche mit Drachen auch dementsprechend
älter. In der westlichen Welt gibt es die ersten Aufzeichnungen
seit rund 200 Jahren nach Christus aus Griechenland
von dem Mathematiker Archytas von Tarent.
In
Asien und Polynesien wurden die Drachen von China
aus durch buddhistische Mönche weiterverbreitet. Dort
haben sie auch heute oft noch religiöse und zeremonielle
Bedeutung.
Erste
praktische Nutzen durch Drachen sind aus Japan bekannt.
Dort wurden große Drachen für das Emporheben von Bogenschützen
verwendet und bei dem Bau von Türmen Baumaterialien
wie Kacheln und Ziegel in die Höhe transportiert.
In
Indien werden etwa seit dem 4. Jahrhundert kleine
Kampfdrachen aus Papier und Bambus geflogen. Holländische
Kaufleute brachten diese Drachen 1543 nach Japan.
Noch heute werden im März mit besonderer Leidenschaft
die Nagasaki Hata" in den traditionellen
Farben rot, weiss und blau den Farben der holländischen
Flagge gebaut und geflogen.
Eine
Abwandlung dieser Drachen dient in Malaysia heute
noch zum Fischfang, weil die Schatten der Drachen
auf dem Wasser einem Blatt ähneln.
Kaufleute
um Marco Polo waren es, die 1282 Drachen aus Asien
mit nach Europa brachten. Seit dieser Zeit dienten
die Drachen im Wesentlichen zum Zeitvertreib und als
Kinderspielzeug auf den abgeernteten Feldern im Herbst.
1826
benutzte der Engländer Pocock einen Drachen, um eine
Kutsche damit anzutreiben. Da man keinen Wegezoll
für drachenbetriebene Fuhrwerke kannte, sparte er
dadurch die Gebühren.
Die
erste Überbrückung der 240 m langen Schlucht der Niagarafälle
erfolgte 1847 mit einem Drachen. Durch nachfolgend
herübergezogene, immer schwerere Seile konnte die
erste Eisenbahnhängebrücke zwischen Kanada und den
USA hergestellt werden.
Seit
1887 experimentierte in Frankreich C. Jobert mit Drachen,
um damit eine Rettungsleine von gestrandeten Schiffen
zur Küste zu spannen.
Drachen
haben in der Geschichte der Wissenschaft ihren festen
Platz. Bereits 1749 benutzte Alexander Wilson in Schottland
ein Gespann von 6 Drachen, 915 m hoch, um mit in der
Flugleine befestigten Thermometern die Temperaturunterschiede
in den verschiedenen Lufthöhen nachzuweisen.
Im
Juni 1752 benutzte Benjamin Franklin in den USA einen
Drachen zum Nachweis der elektrischen Energie von
Blitzen in Gewittern. 1887 wurden mit Drachen die
ersten fotografischen Luftaufnahmen durch den britischen
Meteorologen Archibald gefertigt. Am 12.12.1901 gelang
Marconi mit einer durch einen Drachen auf 122 m Höhe
gebrachte Antenne die erste drahtlose Übertragung
von Funksignalen von Cornwell nach Neufundland.
Die
von dem in Australien lebenden Lawrence Hagrave entwickelten
Kastendrachen wurden von 1893 bis in die 20ger Jahre
des zwanzigsten Jahrhunderts vom US-Wetteramt im Blue
Hill Observatorium zur Wettervorhersage benutzt.
Zur
gleichen Zeit fanden in Deutschland regelmäßige Drachenaufstiege
zur Wettererforschung bis in Höhen von 2.000 m statt.
Der Weltrekord eines Höhenfluges wurde 1919 in Lindenberg
aufgestellt. Damals erreichte ein Drachengespann die
Höhe von 8.425 m.
Kastendrachen
haben auch einen großen Anteil an der Entwicklung
der Luftfahrt. Erste Versuche erfolgten zwischen 1799
und 1809 mit Modellgleitern durch Sir George Cayley,
der erstmalig 1804 einen Gleiter mit einem Gewicht
von 80 90 Pfund" über eine längere
Strecke flog.
Um
1900 benutzten die Gebrüder Wright Doppeldeckerdrachen
für die praktische Erprobung von Steuerung und Flügelverwindung
für ihre ersten Flugzeugprototypen.
1902
baute der Amerikaner Samuel F. Cody für das englische
Militär ein System von Kastendrachen. Damit wurden
Beobachter bis zu 800 m hoch getragen. Zeitgleich
betrieb der französische Lieutenant Saconney ähnliche
Entwicklungen für die französische Infanterie. In
Deutschland wurden mit ähnlichen Systemen Beobachter
von U-Booten gestartet, um deren Sichtbereich auszudehnen.
Die
NASA experimentierte immer wieder mit Drachen für
den sanften und zielgenauen Rücktransport wiederverwendbarer
Raketeneinheiten. Francis M. Rogallo Vater
der Hangleiter - entwickelte dazu zunächst 1948 Drachen
mit flexiblen Flügeln, deren Gestänge schließlich
durch aufblasbare Holme ersetzt wurden und die ihre
Stabilität durch die Tragleinen in einer Verbundwaage
erhalten.
Einen
Himmelsanker besonderer Art entwickelte 1963 der Amerikaner
Jalbert. Durch die Nutzung von Ballon-, Fallschirm-,
Tragflächen- und Drachenmerkmalen gelang ihm die Erfindung
eines gestängelosen, durch Druckwind aufgeblähten
und dadurch steifen Flügels mit enormer Auftriebskraft,
der als Parafolie sowohl in die Drachengeschichte
einging als auch in abgewandelter Form heute als moderner
und steuerbarer Fallschirm den herkömmlichen Rundkappen-Fallschirm
weitestgehend abgelöst hat.
Bereits
1944 entwickelte Paul E. Garber einen steuerbaren
Zieldrachen zum Training der amerikanischen Luftabwehr.
Doch erst der 1974 von Peter Powel entwickelte lenkbare
Drachen, der der Form des Eddy sehr ähnlich ist, revolutionierte
den modernen Drachensport. Die Ära der Lenkdrachenfreunde
begann mit dem Peter-Powel-Stunter rund um die Welt.
Der
Drachensport in unseren Regionen oft noch als
Kinderspiel belächelt und verkannt - hat sich insbesondere
in den letzten Jahren zu einer sportlichen Freizeitalternative
entwickelt. Dies ist im Wesentlichen im Bereich der
Lenkdrachen mit seinen unterschiedlichen Sparten geschehen.
Ob im Buggy (ein dreirädriges Gefährt mit lenkbarer
Vorderachse), auf dem Surfbrett, im Kanu oder auf
dem Ski oder den Schlittschuhen vom Drachen gezogen,
mit Kunstflugfiguren einzeln oder im Team auf der
Wiese bis hin zu Trickflug beim Indoorkiting"
(Drachenfliegen in der Halle) ist alles möglich.
Spektakulär
war die Verwendung der von Wolf Behringer entwickelten
steuerbarem Segel, die Reinhold Messner und Arved
Fuchs zur Unterstützung der Fortbewegung 1989 in der
Antarktis benutzten.
Die
Geschichte der Drachen ist noch nicht zu Ende. Mit
überdimensionalen stablosen Figuren hat der Neuseeländer
Peter Lynn in den vergangenen Jahren neue Maßstäbe
am Drachenhimmel gesetzt. Er war es auch, der die
Fortbewegung mit Drachen wieder aus der Vergangenheit
geholt hat. Mit den Buggykonstruktionen hat sich das
Buggy fahren und auch mittlerweile das Drachensurfen
zu eigenständigen Sportarten entwickelt.
Was die Menschheit
seit Jahrtausenden vergeblich ersehnt hat, die Eroberung
des Luftraumes, das geschah in unserem Jahrhundert.
Das der Traum vom Fliegen schon seit ca. 40 000 Jahren
besteht, zeigen Felsmalerein in einer Steinzeithöhle
in der libyschen Wüste.
Als der Drachen
seinen Weg nach Europa fand, war er nur das Spielzeug
der Kinder, davon erzählen Aufzeichnungen, Märchen,
Geschichten und Gedichte.
Die Kinder konnten
nur im Herbst ihre Drachen steigen lassen, denn nach
der Ernte des Getreides durften die Felder und Wiesen
erstmals wieder betreten werden und hier wurde dann
das Spiel mit dem Drachen lebendig.
Das Drachensteigen
aus früher Zeit erzählt besonders schön das Gedicht
von Viktor Blühgen - Ach wer das doch könnte -
das zu den schönsten Drachengedichten gehört.
Durch die wissenschaftlichen
Forschungen und Erkenntnisse unserer Urgroßväter,
Großväter und Väter wurden die Verbindungen zwischen
Drachen und Flugzeug hergestellt.
Die Geschichte
des Drachen ist viel bedeutsamer, als die meisten
Leser vermuten dürfen, die sich den Drachenbau und
das Steigenlassen von Drachen wohl nur als einen Zeitvertreib
und Spiel der Jugend vorstellen. Während des ganzen
Mittelalters gab es nur eine überragende Persönlichkeit,
die das Luftfahrtproblem wissenschaftlich durchdachte:
Leonardo
da Vinci (1452 - 1519)
Das erste Fluggerät,
mit dem die Menschen schon sehr frühzeitig in das
Luftreich eingedrungen sind, ist der Drachen. Allerdings
gelingt es dem Menschen nicht, mit ihm das Reich der
Lüfte wirklich in Besitz zu nehmen und zu erobern.
Denn der Drachen ist ein gefesselter Flugkörper, der
durch ein Seil wie mit einer Nabelschnur fest mit
der Erde verbunden bleibt. 1752 veranstaltete Franklin
seinen berühmten Drachenaufstieg bei Gewitter, um
zu beweisen, daß der Blitz eine elektrische Erscheinung
sei. Die ersten bedeutenden Experimente mit der Drachenform
(Bogenspitzdrachen) wurden von dem Engländer Sir Georg
Cayley 1799 durchgeführt.
Den vermutlich
ersten europäischen menschentragenden Flugdrachen
benutzte der Engländer Pocock 1825, indem er seine
Tochter mit einem Stuhl auf 90 m emporheben ließ.
Graham Bell, bekannt
geworden durch seine Erfindung des Telefons, war ein
vielseitiger Mensch. Durch seinen Entschluß, einen
Flugapparat zu konstruieren, befruchtete er die damalige
Drachenwelt um einige äußerst interessante Variationen.
Als seine größte Erfindung gilt die Tetraederform,
die sich noch heute in den phantastischsten Kombinationen
wiederfindet.
Am 1. August 1919
stellte man in einem Drachenaufstieg mit einem Gespann
von neun sogenannten Schirmdrachen am Lindenberg Observatorium
bei Berlin einen neuen Weltrekord auf. Es wurde eine
Höhe von 9740 m erreicht. Diese Höhe ist bis heute
ungebrochen.
Die erste Drachenfahrt
mit einem Schiff führten 1900 Hergesell und Graf Zeppelin
auf dem Bodensee durch. Teils mit den Motorbooten
des Grafen Zeppelin, teils mit dem großen Dampfer
" Württemberg " wurden Drachengespanne bei
Windstille als auch bei Schneesturm hochgelassen.
An den meisten Wetterstationen wurden die Drachen
an einem Klaviersaitendraht aufgelassen, so passierte
es, daß ein in Reinekendorf abgerissener Drache nach
seiner Landung derart zu liegen kam, dass ein Stück
Draht einen Kurzschluß zwischen einer Starkstromleitung
erzeugte. Dies geschah in einem Garten, dessen Besitzer
seine Obstbäume gerade besichtigte. Bei dieser ungefährlichen
Beschäftigung kam der Mann dem Draht zu nahe und verbrannte
sich gründlichst.
Ein anderes Mal
erhielt ein Telephonfräulein durch Kurzschluss zwischen
Kraft- und Telephonleitung, über welche sich ein gerissener
Drachendraht legte, eine Entladung in ihr Ohr. Abgesehen
von diesen oft recht unangenehmen Zwischenfällen gingen
beinahe bei jeder Havarie hunderte Meter Draht verloren.
Der in England
lebende Amerikaner Samuel Franklin Cody hat einen
der interessantesten Drachen konstruiert. Sein menschentragender
Cody Drachen wurde zur militärischen Nutzung gedacht
und fand im Kriegsministerium große Anerkennung, nachdem
er sich durch eine erfolgreiche Kanalüberquerung von
Dover nach Calais in 13 Stunden in seinem Faltboot
von einem Drachen ziehen ließ.
Einen ersten Schritt
zu gänzlich neuen Konstruktionsformen bildete ein
zunächst als Spielzeug gedachter Roloplan. Dieser
dreiflächige Drachen wurde im Laufe der Zeit in seiner
Größe bis auf 90 qm Fläche gesteigert. Dieser Riesendrachen
zog 1913 auf dem Tempelhofer Feld mit Leichtigkeit
drei Personen, die in einer Gondel saßen, in die Luft.
Da aber das Einholen dieses Drachenungeheuers grösste
Schwierigkeiten bereitete, wurden weitere Versuche
eingestellt.
Viele Patente,
Examensarbeiten, Berichte, Geschichten und Gedichte
sind um den Drachen geschrieben worden. Diese gilt
es zu bewahren in einer Zeit, in der wir uns schon
an die Überschallflugzeuge und Raumflüge gewöhnt haben.
Hierzu
ein Gedicht von Viktor Blühgen:
Ach
wer das doch nur könnte
Gemäht
sind schon die Felder, der Stoppelwind weht;
hoch
droben in den Lüften mein Drachen nun steht,
die
Rippen von Holz, der Leib von Papier,
zwei
Ohren, ein Schwänzchen sind all` seine Zier.
Und
ich denk`: So drauf liegen im sonnigen Strahl -
ach
wer das doch nur könnte, nur ein einziges Mal !
Da
guckt' ich dem Storch in das Sommernest dort:
"
Guten Morgen, Frau Storch, geht die Reise bald fort
? "
Ich
blickt' in die Häuser zum Schornstein hinein:
Lieb
Vater, lieb Mutter, wie seid ihr so klein !
Tief
unter mir seh` ich Fluß, Hügel und Tal.-
Ach,
wer das doch könnte, nur ein einziges Mal !
Und
droben, gehoben auf schwindelnder Bahn,
da
faßt' ich die Wolken, die segelnden, an;
ich
ließ' mich besuchen von Schwalben und Krähn
und
könnte die Lerchen, die singenden, sehn,
die
Englein belauscht' ich im himmlischen Saal.-
Ach
wer das doch könnte, nur ein einziges Mal !
Korea und Japan
Obwohl die Drachen
von China nach Korea kamen, hat es auch dort eigenständige
Entwicklungen gegeben. Eine amüsante Geschichte
berichtet vom General Gim Yu-Sin, der im 7. Jahrhundert
lebte. Er hatte den Auftrag, eine Rebellion zu zerschlagen.
Eines Nachts sahen seine Soldaten einen Stern vom
Himmel fallen. Sie glaubten an ein schlechtes Omen
und an die Vernichtung ihrer Königin. Um die
Moral seiner Truppen zu stärken, konstruierte
der General Gim Yu-Sin einen Drachen, mit dem er einen
Feuerball gen Himmel steigen ließ. Mit dem zurück
gewonnenen Mut seiner Krieger - sie glaubten, der
Stern sei wieder zum Himmel gestiegen - besiegte der
General die Rebellen.
Die Koreaner bauen
traditionell nur einen rechteckigen Kampfdrachentyp
mit einem Loch in der Mitte. Baumaterial ist Bambus
und Papier. Dieser Drachentyp ist besonders wendig
und eignet sich darum ausgezeichnet für Drachenspiele
aller Art. Diese Spiele gehen in Korea bis in das
7. Jahrhundert zurück. Es sind Wettbewerbe, die
immer in den ersten beiden Wochen des neuen Mondjahres
stattfinden. Zum Abschluss dieses Drachenfestes lässt
man Drachen mit der Aufschrift steigen: "Mögen
alle Sorgen des vergangenen Jahres mit diesem Drachen
davonfliegen".
Die Existenz von
Drachen wird in der Geschichte Japans 713 zum ersten
mal erwähnt. Von China kommend, wurden sie auch
dort oft zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt.
Am Anfang waren nur wohlhabende Samurais in der Lage,
sich Drachen aus dem teuren Papier zu bauen.
Später, mit
Hilfe neuartiger Techniken wie Holzdruck, wurde der
Drachen populärer. Die japanischen Drachen wurden
seit jeher mit aufwendigen Farbmotiven dekoriert.
Sie wurden bei Kriegen, Belagerungen und Diebstählen
zur Beförderung von Personen eingesetzt.
In den unruhigen
Kriegsjahren des 15. und 16. Jahrhunderts verlor der
Drachen an Bedeutung, die aber in den folgenden Jahren
wieder wuchs. Heute zählt man 87 historische
Drachenzentren über das ganze Land verteilt.
Die Stadt Niigata und ihre Umgebung ist eines dieser
historischen Gebiete. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts
wurde das Drachenfliegen in Shirone, Sanjo und Imamachi
populär, und seit dieser Zeit werden dort Drachenwettkämpfe
durchgeführt. Ihren Ursprung haben diese Wettkämpfe
in Machtkämpfen von Großgrundbesitzern,
die zu beiden Seiten von Flüssen ihre Reisfelder
besaßen.
Traditionell werden
diese Kämpfe mit dem etwa 3 m großen Rokkaku-dako
oder dem riesigen 0-dako durchgeführt. Diese
Kampfdrachen werden von beiden Seiten der Flussufer
geflogen. Die Drachen fliegen über dem Fluss,
und jedes Drachenteam versucht, des Gegners Leine
zu durchtrennen. Dieses 200 Jahre alte Drachenspektakel
hatte einen willkommenen Nebeneffekt: Die meist mangelhaft
befestigten Uferdeiche wurden häufig bei starken
Regenfällen weggeschwemmt. Das heftige Stampfen
der Mannschaften beim Fliegen ihrer Kampfdrachen befestigte
die Ufer.
Malaysia und
Indonesien
Die Drachen sind
wohl auf ihrer Reise von China nach Indonesien auch
in Malaysia verbreitet worden. In den Anfängen
werden es die Fischdrachen gewesen sein, die, aus
Palmenblättern gebaut, von den Küstenbewohnern
geflogen wurden. Diese Drachen flog man in Indonesien
sowie im pazifischen Raum und benutzte sie, mit einer
Leine und einem Haken versehen, zum Fischfang. Seit
dem 15. Jahrhundert werden in Malaysia Drachenwettkämpfe
durchgeführt. Im Gegensatz zu den japanischen
Kämpfen, wo das Durchtrennen der Leinen im Vordergrund
steht, werden in Malaysia die Dekoration, Flugleistung
und der höchste Flug bewertet.
Der in Europa
verbreitete Eddy-Drachen hat im malaysischen Bogendrachen
einen nahen Verwandten. Dieser Drachentyp wird seit
vielen Jahrhunderten in Malaysia und im indonesischen
Raum geflogen. Das Drachenfliegen findet hauptsächlich
zur Zeit des Nordostmonsums auf den abgeernteten Reisfeldern
statt. Heutzutage ist der Wau Bulan der populärste
malaysische Drachen. Er wird vorwiegend in der nordöstlichen
Provinz Kelantan produziert.
Das Steigenlassen
von Drachen ist seit Jahrhunderten Volkssport in Indonesien.
Auch der Javanische Bogendrachen ist mit dem Eddy-Drachen
verwandt. Er wird über portugiesische, englische
oder holländische Handelsrouten im 19. Jahrhundert
nach Europa gekommen sein.
Eine Variante
des japanischen Kampfdrachens ist in der indonesischen
Inselwelt seit Jahrhunderten weit verbreitet. Nirgendwo
habe ich so viele Drachen wie auf der Insel Bali fliegen
sehen. Zu jeder Jahres- oder Tageszeit fliegen Drachen
über den Reisfeldern oder Dörfern.
Das Drachenfliegen
erfüllt auf Bali mit langer Tradition auch einen
praktischen Zweck. Die Reisbauern fliegen große,
raubvogelartige Drachen über ihren Feldern, um
den Reis vor nimmersatten Sperlingsschwärmen
zu schützen. In den schmalen Gassen der Dörfer
lassen Kinder zwischen einem Gewirr von Stromleitungen
ihre Kampfdrachen steigen.
Das Bauen von
Drachen auf Bali ist stark mit dem hinduistischen
Glauben verbunden. Grundlage vieler Drachenmotive
ist die Geschichte von Ramayana, in der es um Götter,
Könige und eine entführte Prinzessin geht.
Thailand
Das Fliegen von
Drachen wird in Thailand seit über 700 Jahren
als Sportart betrieben. Im Jahre 1358 liebten die
Könige der Sukhothai-Periode das Drachenfliegen
so sehr, dass sie Amtsgeschäfte vernachlässigten.
Daraufhin wurde
eine Verordnung erlassen, die das Steigenlassen von
Drachen im Palast und seiner Umgebung verbot.
Aber nicht nur
zu sportlichen Zwecken wurden in Thailand die Drachen
in die Himmel geschickt.
Schon im 17. Jahrhundert
begannen die Thais, frachtbeladene Drachen über
ihren goldenen Städten einzusetzen. Es war König
Petraja, der die Drachen als Träger von Bomben
für militärische Operationen benutzte. Er
befestigte mit Schwarzpulver gefüllte Fässer
an Drachen und ließ diese über den Festungen
aufständischer Rebellen explodieren. So wurden
viele Verschwörer zur Kapitulation gezwungen.
König Rama
11 verbreitete zu Beginn des 19. Jahrhunderts das
Drachenfliegen als Sportart über das ganze Land.
Noch heute werden vor seinem königlichen Palast
jedes Jahr, wenn der Südwestmonsun weht, Drachenwettkämpfe
durchgeführt. Bei diesem Wettkampf versuchen
mehrere männliche Kampfdrachen (Pakpao), die
Leine eines großen fünfeckigen, weiblichen
Drachens (Chula) zu durchtrennen. Das Fliegen dieser
Kampfdrachen ist in Thailand auch zu einem Sport für
Könige, Prinzen und Prinzessinnen geworden.
Eine weitere Tradition
ist das Steigenlassen von Drachen mit Beginn der Nordost-Monsunzeit.
Die Drachen sollen den aufkommenden Wind beschwören,
die Regenwolken zu vertreiben, um bei sonnigem Wetter
eine ertragreiche Ernte zu garantieren.
Europa
Da es keine verlässlichen
Aussagen über die Erfindung des Drachens in Europa
gibt, wird davon ausgegangen, dass er über europäische
Seefahrer "importiert" wurde. Eine Theorie
existiert, in der dem Griechen Archytas (400 n.Chr.)
die Erfindung einer hölzernen Taube nachgesagt
wird.
Die Geschichte
der europäischen Drachen beginnt mit dem Fliegen
von Windsäcken. Bereits zur Zeit des römischen
Imperiums befestigten Soldaten diese einem Drachen
ähnlichen, luftgefüllten Banner an Stäben,
um ihre Feinde abzuschrecken. Bis über das Mittelalter
hinaus wurden diese feuerspeienden Drachen in Europa
und Asien bei militärischen Aktivitäten
eingesetzt. Der Schritt vom luftgefüllten Banner
zum fliegenden Drachen ist nicht gross. So zeigt die
erste bekannte Illustration eines europäischen
Drachens (1326) einen mit Flügeln ausgerüsteten
Windsack.
Die wohl bekannteste
Abbildung eines fliegenden Drachens erscheint in einem
Buch von Conrad Kyeser zu Beginn des 15. Jahrhunderts.
Diese Illustration zeigt einen frei fliegenden Drachen
mit Haspel, Leine und der schematischen Darstellung
der Waage.
Die Erfindung
des flächigen sogenannten Wimpeldrachens hat
im 14. und 15. Jahrhundert stattgefunden. Waren die
Drachen am Anfang noch rechteckig und mit einem breiten
Schwanz versehen, so kamen Mitte des 17. Jahrhunderts
die gebogenen und rhomboiden Drachen hinzu.
In seiner massgeblichen
Studie über die Geschichte des Drachens >Kites
an historical survey" bespricht Clive Hart die
Tatsache, dass der Drachen bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts
keine entscheidende Rolle für Entwicklungen der
Luftschifffahrt gespielt hat. Im Gegensatz zu den
asiatischen Ländern, wo der Drachen fester Bestandteil
sportlicher Veranstaltungen war, bleibt er in Europa
Spielgerät für Erwachsene und Kinder,
Gegen Mitte des
18. Jahrhunderts wird der Drachen populärer.
In Frankreich kommt es 1736 zu Ausschreitungen konkurrierender
Drachenteams, so dass auf öffentlichen Plätzen
das Drachenfliegen verboten wird.
Im Jahre 1752
machte Benjamin Franklin eine für die Wissenschaft
wichtige Entdeckung. Er ließ bei aufkommendem
Gewitter Drachen steigen, um zu beweisen, dass die
elektrische Ladung der Wolken mit der elektrischen
Ladung einer durch Reibung aufgeladenen Glaskugel
identisch ist. Die Energie einschlagender Blitze in
seinen diamantförmigen Drachen wurde über
die Leine zum Boden geleitet. Sie war in der Lage,
Alkohol zu entzünden, oder man konnte andere
Experimente mit ihr durchführen.
Mitglieder des
in Philadelphia gegründeten "Franklin Kite
Club" benutzten in den folgenden Jahren den Drachen
für elektrische und meteorologische Messungen.
Die bis dahin für diese Zwecke eingesetzten Ballons
wurden häufig durch starke Winde niedergedrückt
und waren für Messungen der Windgeschwindigkeit
ungeeignet.
Durch das erfolgreiche
Experimentieren mit Drachen war man im ersten Drittel
des 19. Jahrhunderts in der Lage, personentragende
Drachen zu bauen. Im Jahre 1825 ließ der Engländer
George Pocock seine erwachsene Tochter von einem Drachen
100 m in die Höhe ziehen. Später ließ
er von Drachensystemen gezogene Kutschen über
die Landstraßen Südenglands rollen. Diese
Kutschen waren in der Lage, 4 bis 5 Personen mit einer
Geschwindigkeit von 30 km/h zu befördern. Straßenzölle
wurden für drachengezogene Wagen nicht erhoben.
Auch zur Rettung
Schiffbrüchiger lieferte der Drachen seinen Beitrag.
Sir George Nares entwickelte 1861 einen lenkbaren
Drachen, der zur Rettung Schiffbrüchiger auch
Menschen tragen konnte. Durch die Tatsache, dass die
Küste in den meisten Fällen auf der Leeseite
eines Schiffwracks lag (denn die in Seenot geratenen
Segelschiffe wurden vom Wind an das Ufer getrieben
und strandeten), konnte der Drachen erfolgreich eingesetzt
werden. Auch in Deutschland wurde mit manntragenden
Drachensystemen experimentiert. Um die durch ihre
geringe Höhe eingeschränkte Observationsfähigkeit
von U-Booten zu verbessern, ließ man im Ersten
und Zweiten Weltkrieg bemannte Drachen aufsteigen.
Der in Amerika
geborene Samuel Franklin Cody führte zur Zeit
der Jahrhundertwende viele Drachenexperimente durch.
Auch sein Interesse galt in erster Linie der Menschenbeförderung.
Cody lebte in England und bestritt seinen Lebensunterhalt
mit einer Truppe Wildwestdarsteller.
Nach einer langen
Versuchsreihe entwickelte Cody den Kastendrachen.
Er wurde wegen seiner Flügel auch Fledermaus
genannt. Bei Codys "Man lifting System"
entwickelte nicht ein riesiger Drachen die Zugkraft,
die erforderlich ist, eine Person anzuheben, sondern
ein Gespann aus mehreren Kastendrachen wirkte wie
eine Art Himmelsanker in etwa 800 m Höhe. Die
Anzahl dieser Zugdrachen war von der Windgeschwindigkeit
abhängig. Ein Doppelflügeldrachen diente
als eigentlicher Förderdrachen. Er war an einem
Rollensystem, das auf der Hauptleine lief, befestigt.
Unter dem Rollensystem hing ein Korb, in dem eine
Person Platz hatte. Der Pilot konnte nun über
verschiedene Leinen den Neigungswinkel des Drachens
so verstellen, dass ein Auf- und Abgleiten an der
Hauptleine möglich war.
Cody ließ
1901 sein Drachensystem patentieren und begann die
englische Admiralität für seinen Einsatz
zu interessieren. Er bewies die enorme Zugkraft seines
Systems und ließ sich 1903 in einem von Drachen
gezogenen Faltboot über den Ärmelkanal ziehen.
Inzwischen wurde
in vielen Ländern Europas mit leistungsfähigen
Drachen, die auch der Personenbeförderung dienten,
experimentiert. Mit anderen Drachen wurden Höhenrekorde
aufgestellt, und regelrechte Wettkämpfe waren
nötig, um den effektivsten Drachen zu ermitteln.
Die bekanntesten Konstrukteure dieser Zeit waren die
Engländer B. F. S. Baden Powell (11 m-Riesendrachen)
und Charles Brogden (winkelflächiger Flügeldrachen),
die Franzosen Sacconey und Madiot (Kastendrachen)
und die russischen Offiziere Schreiber und Ulyanin.
Ein bis heute besonders beliebter Drachen wurde von
dem Amerikaner William A. Eddy erfunden. Sein 1891
entwickelter Eddy-Bogendrachen wurde später für
meteorologische Messungen in besonders großen
Höhen eingesetzt. Eddy beschäftigte sich
seit seiner Kindheit hauptsächlich mit sechseckigen
Drachen. Ab 1887 begann er sich intensiv mit dem Drachen
zu befassen.
Sein Ziel war
es, einen schwanzlosen, sich selbst stabilisierenden
Drachen zu bauen. Das Resultat, sein Eddy-Bogendrachen,
war ein echter Fortschritt in der geschichtlichen
Entwicklung des Drachenbaus seit der Erfindung des
rhomboiden Drachens im Mittelalter.
Obwohl Eddy von
der Existenz des javanerischen Bogendrachens wusste,
war sein Drachen eine eigenständige Entwicklung.
Sein Drachen wies einige Vorteile auf. Er war schwanzlos
und der durch den Mittelholm geformte Kiel sorgte
für Stabilität. Durch seine Erfindung wurden
auch andere Drachenbauer auf den Bogendrachen aufmerksam
und weitere Modelle entstanden. Eddy hatte einige
kuriose Erlebnisse. So wunderten sich die Leute, warum
ein erwachsener Mann mit Schnurrbart und Hut Drachen
steigen ließ. Einmal kam ein kleiner Junge zu
ihm und sagte: "Mein Vater meint, du solltest
eigentlich einen Aufseher haben." Aber der Spötter
musste schnell seine Meinung ändern, als sich
Eddys Freund und Arzt ebenfalls für das Steigenlassen
von Drachen interessierte.
Etwa zur gleichen
Zeit lebte in Amerika der Erfinder des Telefons, Alexander
Graham Bell. Er experimentierte mit einer Reihe verschieden
aussehender Drachen.
Wie viele Drachenbauer
zu seiner Zeit, hatte auch er die Idee, einen Flugapparat
zu erfinden, der in der Lage ist, Menschen zu befördern.
Um mit diesem Drachen weite Strecken zu überwinden,
sollte er mit Motor und Propeller ausgerüstet
werden. Seine wohl bemerkenswerteste Erfindung war
der auch heute noch von vielen Drachenbauern geflogene
Tetraederdrachen. 1907 schuf Bell einen 3393zelligen
Tetraeder. Dieser mit Seide bespannte Riesendrachen
musste von einem Dampfboot gestartet werden. Der Drachen
war mit Schwimmkörpern versehen. Bei seinem bemannten
Jungfernflug im Dezember 1907 flog er sieben Minuten
in einer Höhe von 60 m, bevor er abstürzte
und zerbrach. Bell konstruierte eine große Anzahl
erfolgreicher Drachenmodelle. Zweifellos brachten
seine Drachen den bemannten Motorflug einen Schritt
weiter.
Der 1850 in England
geborene Lawrence Hargrave war ein weiterer Drachenerfinder,
der mit seinen Arbeiten viel für die Entwicklung
der Luftschifffahrt um die Jahrhundertwende getan
hat. Er studierte Aerodynamik und begann sich 1880
für Drachen zu interessieren. Seine frühen
Arbeiten konzentrierten sich auf die Erfindung eines
Flugapparates, mit dem es möglich war, ähnlich
wie Segelschiffe gegen den Wind zu kreuzen. Hargrave
erzielte keine brauchbaren Ergebnisse und wandte sich
dem bemannten Drachenflug zu. Er experimentierte mit
einer Vielzahl von Drachenmodellen, bevor er 1893
seinen Hargrave-Kastendrachen erfand. Der Vorteil
seines Kastendrachens lag darin, dass er eine große
Segelfläche bei relativ geringen Ausmaßen
hate. Die vertikalen Segel zwischen den Tragflächen
stabilisierten den Drachen, so dass ein Schwanz entfiel.
Hargrave brachte
die Entwicklung des Drachens ein zweites Mal weiter,
indem er seinen Kastendrachen mit gewölbten Tragflächen
versah. Es war bekannt, dass Tragflächen mit
einem gewölbten Profil größeren Auftrieb
entwickeln als flache. Hargraves Kastendrachen wurde
der Standarddrachen für meteorologische Messungen
der folgenden Jahre.
Nach dem Ende
des Zweiten Weltkriegs war es der amerikanische Luftfahrtingenieur
Francis Rogallo, der durch Innovation und Erfindergeist
einen neuen Drachentyp entwickelte. Um bei seinen
Experimenten von Wind und Wetter unabhängig zu
sein, installierte er ein großes Gebläse
mit einem Durchmesser von 1,5 mtr. in seinem Haus.
Sein Bemühen war es, einen Drachentyp zu konstruieren,
der bei minimaler Segelfläche einen maximalen
Auftrieb entwickelt. Ergebnis war ein Drachen mit
flexiblen Flügeln als Tragfläche. Dieser
Flügeltyp kann sich im Gegensatz zu starren Tragflächen
dem Wind anpassen und so für effektiven Auftrieb
sorgen.
Rogallo ließ
seinen "flexiblen Drachen" patentieren;
er wurde Grundlage für viele später entwickelte
Drachentypen. Auch der amerikanische Lenkdrachentyp
"Hawaiian" basiert auf dem Prinzip der flexiblen
Tragflächen.
Wie Rogallo, so
geht auch der Amerikaner D. C. Jalbert davon aus,
dass sich die Form des Drachens an die Windbewegungen
halten müsse. Jalbert experimentierte anfangs
mit einer Reihe von Kastendrachen, bevor er 1965 die
Parafolie erfand. Die Parafolie kommt vollkommen ohne
Streben aus, weil ihre Kammern vom Wind gefüllt
werden. Tragende Elemente sind gewölbte Stoffprofile,
die zwischen zwei Segelflächen sitzen.
Forschung und
Militär
1749
Erst 1749 wurde
die früheste wissenschaftliche Verwendung des
Drachens aufgezeichnet. Es handelte sich um ein meteorologisches
Experiment, durchgeführt von Alexander Wilson
in Camlachie (Schottland). Wilson mass die Temperaturunterschiede
in verschiedenen Höhen mit einem halben Dutzend
Drachen bis auf 915mtr.
1752
Benjamin Franklin
(1706-1790), nordamerikanischer Staatsmann, Schriftsteller
und Erfinder folgte mit einer zweifellos berühmten
wissenschaftlichen Verwendung des Drachens. 1776-85
war er Gesandter in Paris und an der Erarbeitung der
amerikanischen Verfassung von 1787 wesentlich beteiligt.
Im Juni 1752 liess
Franklin seinen elektrischen Drachen steigen um nachzuweisen,
dass der Blitz die gleiche Materie sei wie man bei
der Stromerzeugung gewinnt. Er beschreibt die Konstruktion
wie folgt:
Man fertige
ein kleines Kreuz aus zwei leichten Zederstäben,
deren Arme so lang sind, dass sie bis zu den vier
Ecken eines ausgebreiteten grossen seidenen Taschentuchs
reichen; man befestige die Ecken des Taschentuchs
an denen des Kreuzes, so dass man einen Drachenkörper
erhält, der sich, richtig mit Schwanz, Schlinge
und Schnur ausgerüstet wie die aus Papier hergestellten,
in die Luft erhebt.
Doch dieser aus
Seide bestehende ist besser geeignet, Nässe und
den Wind eines Gewitters aushalten, ohne zu zerreissen.
An der Spitze des Längsstabs in dem Kreuz muss
man einen ganz spitzen Draht befestigen, der dreissig
Zentimeter oder mehr über das Holz hinausragt.
Am Ende der Schnur, neben der Hand, ist ein Seidenband
anzubinden, und wo Schnur und Seide zusammentreffen,
wird ein Schlüssel angebracht. Diesen Drachen
lässt man aufsteigen, wenn ein Gewitter im Anzug
ist, und die Person, welche die Schnur hält,
muss unter einer Tür oder unter einer Bedeckung
stehen, so dass das Seidenband nicht nass wird; und
man muss dafür sorgen, dass die Schnur nicht
den Türrahmen berührt.
Sowie eine Gewitterwolke
über dem Drachen steht, wird der spitze Draht
das elektrische Feuer aus ihr herausziehen, und der
Schlüssel wird mit samt der Schnur elektrifiziert,
und die freien Fasern der Schnur werden nach allen
Seiten abstehen und von einem Finger, der ihnen nahe
kommt, angezogen werden. Und sofern der Regen den
Drachen und die Schnur nass gemacht hat, so dass sie
ungehindert das elektrische Feuer leiten können,
wird man bemerken, dass es reichlich von dem Schlüssel
in den näherkommenden Knöchel fliest.
An diesem Schlüssel
lässt sich die Flasche aufladen, und mit der
so gewonnen Elektrizität kann man Alkohol entzünden
und all die anderen Experimente durchführen,
die man gewöhnlich mit Hilfe einer geriebenen
Glaskugel oder Glasröhre anstellt; und dadurch
ist die Gleichheit der elektrischen Materie und der
des Blitzes vollständig bewiesen.
1799
Die ersten bedeutsamen
Experimente von Sir George Cayleys mit einer neuartigen
Drachenform erfolgten zwischen 1799 und 1809. Die
von ihm entwickelte Drachenform war ein Nebenprodukt
für seine intensive Beschäftigung für
das Konzept Schwerer-als-Luft-Flugs. Er
formulierte die aeronautische Theorie wie folgt: Das
ganze Problem beschränkt sich darauf, einem bestimmten
Gewicht durch die Anwendung von Kraft gegen den Luftwiderstand
eine Oberflächenstützung zu verschaffen.
Er hatte die wesentliche Verschiedenheit von Antrieb
und Auftrieb entdeckt.
Cayleys baute
1804 die ersten Modellgleiter und verwendete als Tragflügeleinheit
einen englischen Bogenspitzdrachen. Über diesen
Drachen oder Gleiter sagte Cayleys: Ich habe
erreicht, dass Flächen dieser Art Gewichte bis
zu 80 oder 90 Pfund mit völliger Stetigkeit und
beliebig nach beiden Seiten steuerbar herabtrugen.
Vierzehn Jahre
später entwarf Cayley einen Modellgleiter, der
zwei Drachen verwendete, einen grossen für die
Tragflügeleinheit und einen kleineren für
den Schwanz. Die Tragflügeleinheit war in Form
eines Flachwinkels angebracht und verlieh dem Gleiter
grössere Stabilität. Dreiundsiebzig Jahre
später machte W.A. Eddy die gleiche Entdeckung.
1853 liess Cayley
seinen Kutscher mit dem neuen Flieger über ein
Tal fliegen. Der Kutscher reklamierte, dass er zum
Fahren und nicht zum Fliegen angestellt sei. Dies
war der erste dokumentarisch festgehaltene Gleitflug
eines Menschen.
1826
Der englische
Lehrer George Pocock patentierte seinen berühmten
Char-volant. Dieser grosse Wagen wurde
von zwei hintereinander angebrachten englischen Bogenspitzdrachen
gezogen. Man konnte vier oder fünf Personen mit
einer Geschwindigkeit von bis zu zweiunddreissig Stundenkilometern
befördernd. Für die gute Lenkbarkeit sorgten
vier Leinen, die sowohl die seitliche Lage wie auch
den Längswinkel zur Windrichtung einstellen konnten
und dem Drachen gestatteten, nach der Windrichtung
rechts oder links zu fliegen.
1833
Erstmals wurde
die Benutzung des Drachens als Zubehör der meteorologischen
Forschung ausführlich von dem britischen Meteorologen
E.D. Archibald erprobt. Es gelang ihm, Anemometer
(Windmessgerät) an Drachen aufsteigen zu lassen
und damit die Windgeschwindigkeit in verschiedenen
Höhen zu messen. 1887 gelangen Archibald die
ersten Luftaufnahmen von einem Drachen aus.
1844
Dr. Colladon experimentierte
am Genfer See mit doppelschnürigen lenkbaren
Drachen, die er in 200mtr langen Bogen über den
Himmel steuerte. Später erfolgte eine Seeüberquerung
auf einem vom Drachen gezogenen Brett.
1855
Ein Befürworter
des Rettungsdrachens war der Admiral Sir Arthur Cochrane.
Er unternahm 1855 als Kommandant einer Fregatte während
des Krieges mit Russland viele Versuche mit drachengezogenen
Torpedos. Bei der Verwendung von 3.65 Meter grossen
Drachen entdeckte er, dass es möglich war, ein
Torpedo über drei Kilometer hinweg mit beträchtlicher
Genauigkeit zu bewegen; allerdings musste man vor
dem Abschuss sorgfältige Berechnungen
anstellen und die Ablenkung durch Gezeiten und Wind
mit berücksichtigen.
1894
Der Amerikaner
J. Woodbridge Davis wandte die Technik mit den doppelschnürigen
lenkbaren Drachen von Colladon an. Er entwickelte
einen steuerbaren Drachen, der im Fall eines Schiffbruchs
eine Rettungsleine vom Schiff zum Ufer tragen konnte.
1911
Die U.S. Navy
führte Zielübungen auf Drachen durch um
die Chancen der Abwehr von Luftfahrzeugen festzustellen.
Im zweiten Weltkrieg entwickelte Fregattenkapitän
Paul Garber abermals einen sehr manövrierfähigen
Zieldrachen, und zwar ebenfalls für Übungen
der amerikanischen Marineartillerie.
Um ihren Beobachtungsradius
auf See zu erweitern, verwendeten die Deutschen im
Ersten und im Zweiten Weltkrieg menschentragende Drachen,
die von ihren aufgetauchten Unterseebooten aufstiegen.
Die Sichtweite von üblicherweise 8 Kilometern
vergrösserte sich in einer Höhe von 120
Metern auf 40 Kilometer. Im Ersten Weltkrieg benutzte
man riesige Kastendrachen. Sie wurden hinter dem Unterseeboot
hergezogen und waren daher nicht auf günstigen
Wind angewiesen. Der Beobachter wurde in einer Gondel
am Drachenseil hochgezogen, sobald ausreichende Höhe
und Stabilität erreicht waren. Der Drachen war
kastenförmig, ähnlich dem englischen Rettungsdrachen,
den man im Zweiten Weltkrieg für Bergungsaktionen
auf See einsetzte, allerdings um ein Vielfaches grösser.
Der britische Drachen war dazu geeignet, eine dünne
Antenne zum Aussenden von Notsignalen hochzuziehen.
Auch auf andere
Weise wurden im Zweiten Weltkrieg die Signaleigenschaften
von Drachen genutzt, wie in einem Artikel von der
Londoner Zeitung Daily Sketch (1939) erschien. Die
Schlagzeile lautete Drachenspion bei seiner
Tätigkeit ertappt Verhaftung an der Ostküste
bei weihnächtlicher Razzia. Die Gegenspionage
nahm einen Spion fest, als er chiffrierte Informationen
an die Nazis mit einer automatischen Signaleinrichtung
an einem Drachens übermittelte.
1940
Die britische
Admiralität hat einen tödlichen Abwehrdrachen
in Dienst gestellt, der Zerstörer gegen Luftangriffe
schützte. Von diesem Drachen, einen modifizierten
Hargrave-Doppelkasten, hing ein Draht herab, an dessen
Ende sich eine Bombe befand. Der Aufprall eines angreifenden
Flugzeugs auf den Draht bewirkte, dass das Flugseil
unter der Bombenvorrichtung durchgetrennt wurde, wodurch
der Drachendraht lose über die Tragfläche
des Flugzeugs glitt. Durch den Zug des Drachens wurde
die Bombe rasch auf das Flugzeug gezogen, wo sie beim
Aufprall explodierte.
1941
Ein weiterer kriegsbezogener
Einsatz des Drachens bestand in der Luftabwehr für
amerikanische Geleitzüge im Jahr 1941. Der dafür
verwendete Drachen wurde von Harry C. Sauls von der
U.S. War Shipping Administration in zwölfjähriger
Arbeit entwickelt. Sauls baute einen bereits vorhandenen,
bisher für Werbezwecke benutzten Drachen um.
Etwa 6 Meter breit und von doppelter Kastenform, flogen
Sauls stattliche Drachen an 609 Meter langen
Drahtseilen, von denen weitere Drahtseile herabhingen.
Sie waren in der Lage, Tragflächen zu durchtrennen
und Propeller zu beschädigen, so dass sie eine
erhebliche Abschreckung für gegnerische Piloten
bildeten.
1943
Die Deutsch entwickelten
während des Zweiten Weltkrieges eine weit bessere
Methode, einen Beobachter in die Luft zu schicken.
1943 stellten sie den Focke-Achgelis-F.A. 330-Drehflügel-
oder Tragschraubendrachen in Dienst. Die war ein äusserst
manövrierfähiger Autogiro, der seinen Auftrieb
dadurch erhielt, dass es von einem Unterseeboot gezogen
wurde. Die Steuerung erfolgte mit einem Seitenruder,
das mittels eines konventionellen Steuerknüppels
bedient wurde. Die Drehblätter liessen sich in
einer Notlage abwerfen, während der Pilot mit
einem Fallschirm absprang. Der ganze Apparat liess
sich dank einer Reihe ausklinkbarer Verbindungen schnell
zerlegen und verstauen.
Der vielleicht
berühmteste Drachen des zweiten Weltkrieges,
der Gibson Girl, verdankte seinen Namen
der taillierten Form des dazugehörigen Funkgerätes.
Der Drachen war Teil der Seenotrettungsausrüstung
für Flugzeugbesatzungen, die auf dem Meer notwassernd
mussten. Er trug eine dünne Notantenne empor,
die mit dem Funkgerät verbunden war. Dieses konnte
dann, mit handbetriebenen Dynamo, SOS-Signale aussenden.
Der ohne Waage fliegende Drachen hatte drei alternative
Schnurbefestigungspunkte für wechselnde Windgeschwindigkeiten.
Bedenkt man das
Tempo, in dem sich im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
die Luftfahrttechnologie entwickelte, erscheint es
kaum überraschend, dass der Drachen für
eine Zeitspanne von etwa dreissig bis vierzig Jahren
so gut wie vergessen wurde. Abgesehen von vereinzelten
militärischen, meteorologischen und Reklameanwendungen
während der beiden Weltkriege und dazwischen,
vernachlässigten ihn alle, mit Ausnahmen der
Kinder. Erst in der Mitte der fünfziger Jahre
verschaffte die Arbeit von Francis Rogallos von der
National Aeronautical and Space Administration dem
Drachen wieder Geltung als potentiell bedeutsames
Instrument der Wissenschaft.
1948
Francis M. Rogallo,
ein Luftfahrtingenieur, der mit der National Aeronautics
and Space Administration in Virginia zusammenarbeitete,
kam zu der Einsicht, dass flexible Flügel eine
potentiell grössere Stabilität verleihen
als festmontierte Flächen und dass sich der Flugkörper
der Bewegung des Windes anpassen sollte, nicht der
Wind der Form des Fluggerätes oder des Drachens.
Rogallo installierte einen grossen elektrischen Ventilator
in seiner Wohnung und unternahm mit Hilfe seiner Frau
ausgedehnte Tests und Experimente mit verschiedenen
Drachenbauarten. 1948 hatte er mit seinem flexiblen
Drachen schliesslich Erfolg. Die Erfindung kam zu
einer Zeit auf den Markt, als man Drachen nur wenig
Interesse schenkte, und so wurde das Projekt aufgegeben.
Dennoch erwies sich das, was in Rogallos Theorien
steckte, als sehr interessant für das US-Raumfahrtprogramm,
und er war bald mit umfangreichen Forschungen in dem
gewaltigen Windkanal von Langley in Virginia beschäftigt.
Er entwickelte eine Reihe ausgeklügelter Paraflügel,
die sich bei der Landung zurückkehrender Raumkapseln
ausfahren und mit grosser Genauigkeit regulieren liessen.
1950
Eine andere, völlig
neue Drachengattung kam 1950 mit einer Patentmeldung
auf, was als Allison- oder Scott Schlitten bekannt
werden sollte. Die Konzeption dieses Drachens war
das Werk William M. Allison aus Dayton, Ohio, dessen
Patent wegen eines möglichen Konfliktes mit dem
noch ausstehenden Patent für den flexiblen Drachen
Rogallos erst 1956 erteilt wurde. Es handelt sich
um einen halbstarren Baldachindrachen, der nur in
der Längsfläche eine Stütze hat und
den Wind dazu nutzt, den Baldachin durch seitliche
Stützung des Gebildes offen zu halten. Die ganz
aussen an den Seiten angebrachten Schnüre halten
diese nieder, so dass diese Kiele bilden und dem Drachen
eine seitliche Stabilität geben. Der Allison-Schlitten
war in dieser Form jedoch nicht sehr erfolgreich.
Frank Scott, ebenfalls
aus Dayton, führte 1964 eine modifizierte Version
des Originals ein. Der Scott-Schlitten hatte in der
unteren Hälfte eine Luftöffnung und die
Seiten nicht mehr spitz gegen die Hinterkante zulaufend,
sondern parallel.
1963
Die neuste Errungenschaft
in der Geschichte der Drachenform ist der Parafoil,
ein völlig originelles Konzept im Drachenbau,
erfunden von Domina C. Jalbert aus Boca Raton in Florida.
Wie Rogallo geht Jalbert davon aus, dass die Form
sich an die Windrichtung halten solle, und eine seiner
früheren Erfindungen, ein vielzelliger Fallschirm,
der sich durch eine Vervielfachung der Segelbefestigungspunkte
auszeichnet, nutzt die Windkraft in weit höherem
Grad als die Standard-Baldachin-Bauart mit ihrer einfachen
Befestigung. Jalbert entdeckte, dass die allgemeine
Form des herkömmlichen Fallschirms ineffizient
war, weil sie soviel Luft ungenutzt liess. Er entwarf
einen Fallschirm, welcher eine höhere Luftmasse
aufnehmen konnte, höhere Tragfähigkeit besass
und stabiler und sanfter zu Boden glitt.
Es ist erfreulich,
dass der Drachen, bei allen Fortschritten und Verbesserungen
in seiner Bauweise für militärische und
wissenschaftliche Zwecke, als ästhetischen Gegenstand
auch heute noch viele Künstler inspiriert.
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